Gefühle können das Immunsystem beeinträchtigen

16. November 2024

Mentale Zustände beeinflussen den Körper, oft mit Langzeitwirkung. Das Gehirn kommuniziert mit dem Darm und kann die Krankheitsabwehr des Körpers beeinträchtigen. Doch diese Kommunikation ist keine Einbahnstraße: Der Darm sagt dem Gehirn zum Beispiel, was wir essen sollen – ohne dass wir das mitbekommen!  
 

Darm und Gehirn stehen im ständigen Austausch. Die Auswirkungen davon lassen sich oft im Alltag beobachten: Wer schon einmal in einer Stresssituation eilig die Toilette aufsuchen musste, weiß das nur zu gut. Manchmal haben die Signale aus dem Gehirn aber auch schwerwiegendere und länger anhaltende Folgen. Chronischer Stress kann den Darm in mehrfacher Hinsicht schädigen: Entzündliche Prozesse werden begünstigt und wir werden anfälliger für Infektionen.

Stress macht krank – aber wieso eigentlich?

Doch wie funktioniert das eigentlich? Das Darmmikrobiom, also die Gesamtheit der Bakterien, Pilze und anderen Mikroorganismen in unserem Darm, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Oft spricht man sogar von der Gehirn-Darm-Mikrobiom-Achse, um die komplizierte Beziehung zwischen diesen drei Komponenten zu beschreiben. Allerdings: Wie genau das Gehirn das Mikrobiom beeinflusst, ist noch nicht vollständig geklärt.
In der Abteilung Body-Brain-Cybernetics unter Leitung von Ivan de Araujo versuchen Forschende, dieses Geheimnis zu lüften. Sie haben beispielsweise schon entdeckt, dass das Gehirn über den Vagusnerv Stresssignale direkt an den Darm sendet. Das führt dazu, dass der Dünndarm weniger Schleim produziert – Schleim, der eigentlich als Nährboden für nützliche Darmbakterien dienen sollte. Wenn diese Bakterien fehlen, kann man sich leicht eine Darminfektion einfangen. Im schlimmsten Fall wird sogar die Darmbarriere geschädigt, so dass Stoffe aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangen. Das Immunsystem reagiert darauf dann mit Entzündungen. Doch es gibt auch gute Nachrichten: Das Verständnis dieses Mechanismus kann zur Entwicklung von Therapien beitragen. Vagusnervstimulation beispielsweise könnte den schädlichen Auswirkungen von Stress auf die Darmgesundheit entgegenwirken. Alternativ könnte auch die Einnahme von Probiotika helfen.

Wie der Darm uns austrickst

Aber das ist noch nicht alles: Der Darm sendet umgekehrt auch Signale ans Gehirn! Er verfügt über ein eigenes Nervensystem und wird daher manchmal sogar als zweites Gehirn bezeichnet. In der Tat scheint der Darm manchmal für uns zu entscheiden – zum Beispiel darüber, was und wie viel wir essen. Natürlich sind dabei Geschmack, Geruch und Mundgefühl wichtig, und nur diese Faktoren nehmen wir bewusst wahr. Was wir nicht merken: Jedes Mal, wenn wir energiereiche Nahrung zu uns nehmen, sendet der Darm ein Belohnungssignal ans Gehirn. Dieses Signal kann manche Menschen dazu verleiten, zu viel Fett und Zucker zu sich zu nehmen. Dabei hängt dieser unbewusste Mechanismus hängt nicht einmal davon ab, ob uns das kalorienreiche Essen wirklich schmeckt!
Der Darm teilt dem Gehirn noch viel mehr mit: Das Mikrobiom setzt Stoffe frei, die die Entwicklung des Gehirns von Geburt an beeinflussen können. Die Darm-Hirn-Achse spielt auch eine Rolle bei Stressempfinden und Angst sowie der Funktion des Gedächtnisses. Sie wurde auch mit einer Reihe von psychischen Erkrankungen wie Depression und Schizophrenie in Verbindung gebracht. Ein tieferes Verständnis dieser Mechanismen könnte die Entwicklung neuer Therapieansätze anstoßen und Betroffenen mit den betreffenden Krankheitsbildern helfen.

 

Zur Redakteursansicht