Auch blinde Menschen werden von Licht beeinflusst

Licht ist nicht nur wichtig, um zu sehen! Es beeinflusst auch, wann wir uns wach oder müde fühlen, ob und wie gut wir schlafen, wie es um unsere Stimmung und Konzentration bestellt ist – und vieles mehr. Grund genug, genauer hinzuschauen: Was macht Licht mit uns? Wann brauchen wir Licht – und wann ist Dunkelheit besser? Und überhaupt: Wie funktioniert das alles im Körper?

Zapfen erkennen Farben, Stäbchen sehen auch bei schummrigem Licht: Soweit kennen wir die Lichtrezeptoren noch aus der Schule. Doch es gibt noch andere Zellen in der Netzhaut, die auf Licht reagieren: fotosensitive Ganglienzellen. Obwohl sie weniger bekannt sind, sind sie mindestens genauso wichtig. Zum Beispiel steuern sie den Schlaf-Wach-Rhythmus: Unsere innere Uhr kann zwar eine Weile ganz von alleine laufen. Genauer gesagt gibt eine kleine Ansammlung von Nervenzellen im Hypothalamus, der sogenannte suprachiasmatische Kern, den Takt an: Er bestimmt, wann das Hormon Melatonin ausgeschüttet wird, das uns schläfrig macht. Aber wie eine alte Taschenuhr muss der suprachiasmatische Kern immer wieder gestellt werden – und zwar durch Licht. Helles Licht unterdrückt die Melatoninbildung und sorgt dafür, dass wir uns wacher fühlen. Am Abend ist das natürlich oft unerwünscht; zu wenig Melatonin verlängert nicht nur die Einschlafphase, sondern mindert auch die Schlafqualität. Deshalb raten Schlafforscher*innen, in den Stunden vor dem Schlafengehen helles Licht soweit möglich zu vermeiden und das Schlafzimmer abzudunkeln.
Umgekehrt können wir uns die Wirkung des Lichts aber auch zunutze machen: Helligkeit früh am Tag hilft, den Rhythmus nach vorne zu verschieben, also abends leichter einzuschlafen und morgens besser in Schwung zu kommen. Das kann nicht nur Nachteulen helfen, sondern auch Reisenden mit Jetlag und Menschen, die wegen Schichtarbeit oft ihre Schlafenszeiten ändern müssen. Dafür ist es immer noch am besten, einfach nach draußen zu gehen: Selbst sogenannte Tageslicht- oder Vollspektrumlampen reichen in ihrer Wirkung bei weitem nicht an einen trüben Dezemberhimmel heran.

Schlafen, wachen, niesen: Licht ist nicht nur zum Sehen da

Die Forschungsgruppe Translationale sensorische und zirkadiane Neurowissenschaften unter Leitung von Manuel Spitschan erforscht, was genau das Auge dem Gehirn über die visuellen Eindrücke hinaus mitteilt. Das Team misst auch die Lichtverhältnisse in der echten Welt außerhalb des Labors und kartiert, wann und wo wir Licht ausgesetzt sind – und welchem Licht genau. Denn wichtig ist auch: Licht ist nicht gleich Licht. Die fotosensitiven Ganglienzellen, die den Tagesrhythmus steuern, reagieren vor allem auf kurzwelliges, also blaues Licht. Daher ist es wichtig, die genaue Art der Lichtexposition zu erfassen: in Wohngebieten, Parks und Innenstädten; in Büros und Fabrikhallen; in Schlafzimmern ebenso wie im öffentlichen Raum. Solche Daten können die Grundlage für Empfehlungen bilden, wie man die Lichtverhältnisse kosteneffizient so verändern kann, dass sie zu einer guten körperlichen und geistigen Gesundheit beitragen.
Übrigens: Licht macht noch so einiges andere mit uns. Mussten Sie schon einmal niesen, weil Sie in die Sonne geblinzelt haben? Dann gehören Sie zu den Menschen, die einen photischen Niesreflex haben. Was hinter diesem Phänomen steckt, ist noch nicht klar. Auch hier versucht die Forschungsgruppe Translationale sensorische und zirkadiane Neurowissenschaften Licht ins Dunkel zu bringen.

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