Zebrafischen kann man direkt ins Gehirn schauen
Zebrafischlarven sind so durchsichtig, dass man ihre Gehirne sehen kann. Forschende können einzelne Neuronen aufleuchten lassen; so können sie die Gehirnfunktionen der Tiere untersuchen, während diese frei herumschwimmen und ihr natürliches Verhalten zeigen: Erkundung der Umgebung, soziale Interaktion oder Nahrungssuche.
Das menschliche Gehirn zu erforschen ist eine gewaltige Aufgabe: Mit 100 Milliarden Neuronen und über 100 Billionen synaptischen Verbindungen ist es von beeindruckender Größe und Komplexität. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Gehirnaktivität beim Menschen nur schwer messen lässt: Nichtinvasive bildgebende Verfahren wie fMRT und EEG sind nicht so genau, wie es wünschenswert wäre. Es gibt zwar auch Verfahren, mit denen man die Aktivität einzelner Nervenzellen messen kann, doch diese würden chirurgische Eingriffe erfordern. Aus ethischen Gründen ist das aber selbstverständlich beim Menschen im Normalfall unmöglich; außerdem kann man mit solchen Verfahren nur kleine Ausschnitte des Gehirns beobachten. Daher untersuchen einige Neurowissenschaftler*innen, die am Zusammenspiel vieler Neuronen im ganzen Gehirn interessiert sind, Modellorganismen mit kleineren Gehirnen.
Aktive Nervenzellen leuchten auf
Ein solcher Modellorganismus ist der Zebrafisch. Das Gehirn eines jungen Zebrafisches hat etwa 100 000 Nervenzellen, ist also winzig im Vergleich zum Menschen. Doch die Fische sind Wirbeltiere wie wir und uns daher in vielem ähnlich: Sie verwenden die gleichen Neurotransmitter wie zum Beispiel Dopamin, Serotonin und Acetylcholin. In vielerlei Hinsicht können Form und Struktur der Netzwerke in ihren Gehirnen den unseren ähneln. Ein weiterer Vorteil: Im Alter von wenigen Tagen sind Zebrafische noch vollständig durchsichtig. Daher kann man also in ihr Gehirn hineinschauen! Mit fluoreszierenden Kalzium-Indikatoren kann man sogar die aktiven Nervenzellen zum Leuchten bringen. Denn jedes Mal, wenn eine Nervenzelle feuert, ändert sich die Konzentration der Kalziumionen. Mit dieser Methode können die Forschenden alle Nervenzellen im gesamten Fischgehirn gleichzeitig beobachten!
Fische mit Persönlichkeit
Um die Funktion des Gehirns zu verstehen, ist es natürlich ideal, wenn man ihm direkt bei der Arbeit zuschauen kann; das heißt, wenn man die Gehirnaktivität messen kann, die das natürliche Verhalten der Fische begleitet. Eine Erfindung von Jennifer Li und Drew Robson, die gemeinsam die Forschungsgruppe Systems Neuroscience & Neuroengineering leiten, kommt hier ins Spiel: Trackingmikroskope, die sich mit den Fischen mitbewegen. Mit ihnen kann das Team beobachten, was in den kleinen Gehirnen vor sich geht, während die Tiere ungehindert herumschwimmen. So kann man eine Vielzahl von Fragen untersuchen: Welche neuronalen Schaltkreise sind aktiv, wenn die Fische eine neue Umgebung erkunden? Welche Neuronen leuchten auf, wenn sie sich an Vertrautes erinnern? Wie suchen die Tiere nach Nahrung, und was passiert im Gehirn, wenn die Suche erfolgreich ist? Wie werden Erinnerungen gespeichert? Welche Hirnstrukturen sind am Sozialverhalten beteiligt?
Trotz ihres kleinen Gehirns sind Zebrafische zu komplexen und vielfältigen Verhaltensweisen fähig. Was sie uns noch ähnlicher macht: Sie sind Individuen mit einer eigenen Persönlichkeit! Manche erkunden gerne Neues, andere fühlen sich in bekannter Umgebung wohler. Sie können risikofreudig oder vorsichtig sein, mutig oder scheu – ganz wie wir!